6. Was tun? Empfehlungen für Politik und Stadtplanung
In Städten konzentrieren sich gesellschaftliche Prozesse auf engstem Raum. Deshalb zeigt sich die Divergenz von wachsender Diversität und Alterung der Gesellschaft hier besonders deutlich. Wie können Städte nun dazu beitragen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Lebensentwürfen ein gutes Leben im Alter zu ermöglichen? Unsere Forschungsergebnisse zeigen hier vier Schlussfolgerungen auf:
Erstens ist die politische und gesellschaftliche Anerkennung wichtig, dass die ältere Generation vielfältig ist, und zwar mit sehr komplexen Überlagerungen. Es gibt nicht per se den Typus „älterer Mann“, „ältere Frau“, „ältere Migrant*innen“, „ältere Menschen in unterschiedlichen Einkommenssituationen und mit verschiedenen Bildungshintergründen“, oder „ältere Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“, sondern einen Mix aus diesen Merkmalen in jeder Person. Das Leben einer älteren türkischstämmigen Frau mit Doktortitel, ohne Familienanschluss und gutem Einkommen unterscheidet sich sehr stark von dem des griechischen Gastarbeiters, der am Fließband gearbeitet hat und heute gemeinsam mit Kindern und Enkeln lebt. Dafür ähnelt das Leben der türkischstämmige Frau vielleicht ihrer Kollegin ohne Migrationsgeschichte? Städtische Institutionen sollten diese Vielfalt in ihren Freizeitangeboten und Unterstützungsprogrammen mitdenken.
Urheber: Mauro Rego
Zweitens sollten Städte neue Wohnformen im Alter unterstützen. Kaum eine ältere Person möchte im Altersheim leben und immer seltener leben Familien gemeinsam unter einem Dach oder in der Nachbarschaft. Trotzdem wünschen sich viele Menschen, im Alter in Gemeinschaft zu leben. Wohngemeinschaften mit Freunden und Mehrgenerationenhäuser mit Menschen in anderen Lebensphasen werden beliebter. Städte sollten diese Wünsche für das Wohnen im Alter aufgreifen und fördern, beispielsweise durch Kooperationen mit städtischen Wohnungsbaugesellschaften und dem Bereitstellen von kostengünstigem Wohnraum.
Drittens ist es wichtig, dass Städte öffentliche Räume anbieten, in denen sich Menschen begegnen können. Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass die Familie sich um ältere Angehörige kümmern kann. An die Stelle der Familie können Freunde, Bekannte oder Nachbarn treten, allerdings braucht es Zeit bis sich diese Beziehungen entwickeln und Orte, an denen sie entstehen können. Orte wie Nachbarschaftscafés, Gemeinschaftsgärten, Parks oder Bibliotheken schaffen die Voraussetzung, dass sich Menschen begegnen und kennenlernen können. Daraus können Freundschaften und Unterstützungssysteme erwachsen, welche das Kümmern und die Sorge der Familie ersetzen können.
Urheber: Mauro Rego
Viertens sollten die Chancen der Digitalisierung auch im Hinblick auf ältere Menschen mitgedacht werden. Schon heute können viele Ältere kompetent mit digitalen Medien umgehen, und diese Tendenz wird zunehmen, wenn die Generationen ein höheres Alter erreichen, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Soziale Netzwerke und Unterstützung im Alter ließen sich dann nicht nur über den unmittelbaren Kontakt in der Nachbarschaft entwickeln, sondern auch über digitale Plattformen wie Hilfsbörsen in der Nachbarschaft, Wandergruppen, Kinoabende oder Kiez-Aktionen. Für manche Ältere mag es sogar einfacher sein, Kontakte zunächst von Zuhause aus zu entwickeln, beispielsweise wenn körperliche Einschränkungen auftreten. Digitale Angebote für ältere Menschen attraktiv zu gestalten, bedeutet, dass die ältere Generation als Nutzer*innen digitaler Angebote wahrgenommen werden. Dies anzuerkennen wäre ein weiterer Baustein dafür, der Diversität älterer Menschen gerecht zu werden. Gleichzeitig könnten so die Angebote der gegenseitigen Unterstützung in Nachbarschaften unkompliziert und kostengünstig erweitert werden.
Urheber: Mauro Rego
Grafik: Vielfalt im Alter
Illustration: Mauro Rego
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